Liebe Besucherinnen und Besucher,

In einer "geistigen Aktion" (Korsch), die sich gegen die "restlose und radikale Vernichtung der Bedürfnisentwicklung in der Dimension des menschlichen Bewusstseins" richten will, in der Hans-Jürgen Krahl die letztendliche Form der "Ausbeutung in dieser Gesellschaft" erkannte, muss allererst das Erinnern wiedergewonnen werden.

Hans-Jürgen Krahl (1943-1970) war neben Rudi Dutschke unbestreitbar der wichtigste Theoretiker der Studentenbewegungen und antiautoritären Revolte. Sein Werk hat eine wenn auch untergründige so doch breite und in die Tiefe gehende bis in die Gegenwart reichende Wirkungsgeschichte, was weniger an dessen vieldeutbarer fragmentarischen Form liegt, als an der Unausweichlichkeit der in ihm formulierten Fragestellungen an eine sich ihrer Akkommodation widersetzende kritischen Theorie der Gesellschaft.

Die längst vollzogene akkommodierende Kehrtwende der Bewegung von der "Politisierung des Privaten" in die "Privatisierung des Politischen" müsste sich deshalb in besonders grotesker Weise in einer vertrackten Nachlass-Situation dieses revolutionären Theoretikers widerspiegeln. Die bittere Ironie, die darin liegt, tut allerdings dem Skandal, dass es bis heute keine einheitlich editierte und kommentierte Gesamtausgabe Krahls gibt, keinerlei Abbruch - ein Armutszeugnis überdies für die hierin ihre eigene Geschichtslosigkeit dokumentierende Linke.

Um dieser Situation abzuhelfen werden auf der Website der "Krahl-Briefe" bisher unzugängliches bzw. noch nicht aus der Handschrift transkribiertes Material veröffentlicht werden.

Aufheben und das ist, gleichwohl es dies beinhaltet, weit mehr als nur ein archivarisches oder philologisches Bewahren, lässt sich aber auch die Krahlsche Philosophie nur durch ihre Verwirklichung, ihre unausgeführte Programmatik der "Rekonstruktion der Kritik der politischen Ökonomie als Revolutionstheorie", ihr Weitertreiben als "erkenntnistheoretische Selbstreflektion daseiender Abstraktionen der gesellschaftlichen Totalität" (Helmut Reinicke) nur durch Ausführung, weshalb die Texte Krahls nicht nur eingeordnet und kommentiert, sondern im besten Fall auch durch Gegenwartsautoren reflektiert und diese Reflexionen ihrerseits ins Gespräch gebracht werden sollen.

Die tragende Hoffnung dieser Website ist es, hierdurch einen Prozess kontroverser Rezeption einzuleiten, der schließlich doch noch in einer kritischen Gesamtausgabe des Krahlschen Nachlasses münden kann.

Die Redaktion der Krahl-Briefe


Die Krahl-Briefe wurden gefördert von

Stiftung Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts (Bremen) & Rosa Luxemburg Stiftung (Berlin)

     

aktualisiert: Februar 2020