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Kryptokategorien des Marxismus

Editorische Vorbemerkung: Der vorliegende Test ist als "Text 11 (drei Fragemente)" in Hans-Jürgen Krahl: Ausgewählte Werke, S. 48, zum ersten Mal veröffentlicht worden. Für die Neuveröffentlichung wurden lediglich die Rechtschreibfehler korrigiert.

Kryptokategorien des Marxismus

Der Tauschwert ist das Allerbekannteste, kryptologisch die verdeckten kategorialen Entstehungsbestimmungen aufzudecken, heißt nicht, ein metaphysisches Wesen freizulegen, sondern die "Oberfläche" der Dinge, ihre Erscheinung selbst, den Tauschwert, macht die Verdinglichung der bürgerlichen Gesellschaft und realisiert sich doch dinglich im Warenaustausch. Die Phänomene selbst gilt es erst aufzudecken, die gegenständliche Realität freizulegen, das was sinnlich wahrnehmbar ist, auch sinnlich wahrzunehmen -- wesenslogische Phönomenologie! Die Differenz von Wesen und Erscheinung ist eine in den Phänomenen selbst, selbst eine differentia phänomenon.

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Erinnerung ist das geschichtsphilosophische Wesen der an sich selbst den Wahrheitsanspruch stellenden Kunst, ihre Tiefe ist aus dem Leid geboren, das der Erzähler, der "raunende Beschwörer des Imperativs" in Ironie und Humor verwandelt. Humor ist das Lächeln unter Tränen, das Lächeln des Leides. Die sich erinnernde zeitigende Kunst ist die der Krise; in dem Augenblick, da sie sich als Gestalt der Wahrheit begreift, verzweifelt sie an ihrer Adäquation daran. Erinnerung ist Zeit, das nagende Negative, die Sinnlichkeit, Erinnerung ist die konkret erlebte Zeit. Daran unterscheidet sich das Zeitproblem auch bei Thomas Mann von der marktgängigen Zeitmetaphysik der Erinnerung, inhaltlich erlebtes Leid ist, das zu bezeichnen ist: "Da gab uns Gott in meiner Qual..."
Erinnerung ist keine ontologische Zeitigung, reduziert sich nicht auf Welt und Dasein schlechthin, sondern inhaltlich qualifiziert (Faust, Phänomenologie). Die gesellschaftliche Liquidation des ästhetischen Scheins im 19. Jahrhundert. Erinnerung und Vergessen. Geschichtsphilosophische Studien zum Strukturwandel der Aufklärung (Funktionsänderung der geschichtsphilosophischen Reflexion).

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Ethik und Moral. Ethik ist die Theorie des Moralischen. Ethik ist eine Theorie, Moral eine Praxis, die der Internalisierung von gesellschaftlich imponierten Normen und den daraus entsprungenen psychischen Konfliktsituationen. Die Ethik der Revolution ist eine permanente Kritik am bürgerlichen Sittlichkeitsbegriff, nicht des kategorischen, sondern des hypothetischen Imperativs. Ethik ist nicht formalistisch, als kritische bestimmt sie das Sittliche vermittelnd zur moralischen Praxis. (Ethik ist Part der kritischen "Gesellschaftstheorie")