Krahl-Briefe > Heilige Familie

Zur "Heiligen Familie" von Marx und Engels

Exzerpte und Notizen von Hans-Jürgen Krahl

nach der Handschrift im Verlag Neue Kritik

Editorische Vorbemerkung: Diese längere Sammlung von Exzerpten, Kommentaren und Anmerkungen Krahls zum ersten gemeinsamen Buch von Karl Marx und Friedrich Engels "Die Heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik" aus dem Jahr 1845 entstand vermutlich im Rahmen eines Seminars am Institut für Sozialforschung in Frankfurt. Dies legt der einmalige Hinweis "s. Protokoll" nahe, was sich eigentlich nur auf ein Seminarprokoll beziehen kann. Am ehesten kommt dabei die Übung von Alfred Schmidt aus dem Jahr 1966 in Frage, in der es um "Typen der Hegelkritik im Vormärz: Stirner, Bauer, Feuerbach, Marx" ging. Die Liste der Lehrveranstaltungen am Institut ist abgedruckt im Aufsatz von Alex Demirovic, Bodenlose Politik -- Dialoge über Theorie und Praxis, in: Wolfgang Kraushaar (Hrsg.), Frankfurter Schule und Studentenbewegung, Von der Flaschenpost zum Molotowcocktail, Band 3, S. S. 95 ff.
Der Charakter einer Selbstverständigung Krahls über den Inhalt des Werkes von Marx und Engels, das er im ersten Band der Marx-Ausgabe von Hans-Joachim Lieber (1960ff.) gelesen hat, wird auf den folgenden Seiten deutlich. Für die Transkription bedeutete dies, dass Krahl oft genug keinen Wert auf komplette Sätze und eine saubere Handschrift gelegt hat, was die Lücken im Text zeigen. Dies betrifft insbesondere solche Stellen, in denen Krahl über gestrichenen Passagen etwas ergänzt hat, was zumindest auf der uns vorliegenden Kopie des Orginalmanuskripts häufig nicht lesbar war.

 


[Aufschrift des Schreibblocks:] Heilige Familie

I Kap.
Die absolute Kritik ist die Karikatur des absoluten Wesens; sie enthüllt den Mechanismus des Absoluten, das die Individuen zu dessen Marionetten herabsetzt: "Die Wahrheit ist für Herrn Bauer wie für Hegel ein Automaten, das sich selbst beweist. Der Mensch hat ihr zu folgen." (MEW Bd. 2, S. 83)

"Wie nach den frühem Teleologen die Pflanzen da sind, um von den Tieren, die Tiere, um von den Menschen gegessen zu werden, so ist die Geschichte da, um zum Konsumtionsakt des theoretischen Essens, des Beweisens zu dienen [...] Die Geschichte wird daher, wie die Wahrheit, zu einer aparten Person, einem metaphysischen Subjekt, dessen bloße Träger die wirklichen menschlichen Individuen sind." (ebenda)

Die Spekulation ob als absoluter Idealismus oder dessen entlarvende Kritik hypostasiert die historische Immanenz selber zum Unendlichen; die Identität des Endlichen mit sich selbst, also die versöhnte Entzweiung von Subjekt und Objekt ist das Absolute.

S. 761: "Die Idee blamierte ..." Zum geschichtsphilosophischen Verhältnis von revolutionärer Idee als dem historischen Ausdruck des emanzipatorischen Vernunftinteresses. Die partikularen bedürfnissystematisch bedingten Klasseninteresse[n] verallgemeinern sich zum universalen Menschheitsinteresse. Die Divergenz von universalhistorischer Idee der Aufklärung und dem partikularen Interesse des diese Idee verkündenden gesellschaftlichen Subjekts.

S. 763: Die Begründung der revolutionären Gegengewalt. "Aber um sich zu heben, genügt es nicht, sich in Gedanken zu heben und über dem wirklichen, sinnlichen Kopf das wirkliche, sinnliche Joch, das nicht mit Ideen wegzuspintisieren ist, schweben zu lassen.
Die absolute Kritik jedoch hat von der Hegelschen Phänomenologie wenigstens die Kunst erlernt, reale, objektive, außer mir existierende Ketten in bloß ideelle, bloß subjektive, bloß in mir existierende Ketten und daher alle äußerlichen, sinnlichen Kämpfe in reine Gedankenkämpfe zu verwandeln." (MEW Bd. 2, S. 87)

S. 764-66: Explikation des philosophischen Dualismus von Idealismus und Materialismus auch und des geschichtsphilosophischen Verhältnisses von Geist und Masse als eine nicht mehr bloß innerphilosophische Kontroverse. [Ende Seite 1] Der kritisch aufgenommene Begriff der Masse ist von entscheidender Funktion in der Genesis des historischen Materialismus: Er bezeichnet den historischen Agenten gesellschaftlicher Veränderung, beschreibt das gesamtgesellschaftliche Subjekt und setzt sich entschieden ab von elitären Vorstellungen des Idealismus, der nur wenigen Auserwählten das Privileg des Geistes zuspricht und die übrige Menschheit zur geistlosen und feindlichen Masse, dummen Materie und stummen des ersteren herabsetzt.

Marx registriert metakritisch und aufklärerisch was dem Individuum in der bürgerlichen Gesellschaft widerfährt: Die universalen Formalnormen des abstrakten Rechts sprechen den gesellschaftlichen Individuen in rational-naturrechtlicher Begründung allgemeine Freiheit und Gleichheit zu, sie versprechen dem Individuum, ihre Partikularität zu überwinden, sie zu aus eigener Verstandeskraft mit praktischer Vernunft zu privatautonomen Subjekten zu bilden, gleichzeitig werden sie herabgesetzt zu stummen Objekten, Verkürzungen des metaphysisch als Absolutes kaschierten wenigen Herrschenden zur tumben res externa. Die Masse ist geistfeindlich weil der Geist ein Bildungsprivileg der mächtigen gegenaufklärenden Feinde des Geistes ist, die gleichwohl ihn zum Privateigentum haben. Die idealistische Spekulation sanktioniert die Herabsetzung der bedürftigen Individuen zu bloßen Prädikaten eines metaphysischen Herrschaftssubjekts, des absoluten "jenseitigen Geistes der Menschheit" (MEW 2, S. 90). Dies stellt den im geschichtsphilosophischen Anspruch auf Weltbürgertum, Kosmopolität, da er aber nicht realisiert ist in der Masse und diese zur allgemeinen Menschheit aufgehoben hat, ist er bloß partikular. Die Partikularität des als Aufklärung, konkrete Menschlichkeit -- die nicht nur abstrakte Regel der praktischen Vernunft, sondern die bestehende Wirklichkeit der Vernunft selbst sein soll -- begriffenen Geistes, der gleichsam privatrechtlich unter die Herrschaftsträger parzelliert ist, denunziert als Gegenaufklärung , an sich selber geistfeindlich, wenn mit dem Begriff des Geistes im geschichtsphilosophischen Sinn der Aufklärung der von Emanzipation, das heißt in seiner revolutionären Interpretation seine Verwirklichung gemeint ist. Erst die real aufgehobene Vernunft hat Wirklichkeit der Geist ist allgemein sobald die Masse zur Menschlichkeit würde. [Ende Seite 2]

Kap. VI
S. 766: "Das Verhältnis von 'Geist und Masse' hat indes noch einen versteckten Sinn, der sich im Lauf der Entwickelungen vollständig enthüllen wird. Wir deuten ihn hier nur an. Jenes von Herrn Bruno entdeckte Verhältnis ist nämlich nichts anderes als die kritisch karikierte Vollendung der Hegelschen Geschichtsauffassung, welche wieder nichts anderes ist als der spekulative Ausdruck des christlich-germanischen Dogmas vom Gegensatze des Geistes und der Materie, Gottes und der Welt. Dieser Gegensatz drückt sich nämlich innerhalb der Geschichte, innerhalb der Menschenwelt selbst so aus, daß wenige auserwählte Individuen als aktiver Geist der übrigen Menschheit als der geistlosen Masse, als der Materie gegenüberstehen." (MEW Bd. 2, S. 89)

Die innerhistorische Realität des metaphysischen Geist ist seine herrschaftsfunktionale Partikularität. Er wird im Rahmen des beschränkten Klasseninteresses zur Verfügungsgewalt über den Menschen eingesetzt. Der Geist als Substanz, als ein absolutes Subjekt der Geschichte ist die metaphysische Travestie seiner innerhistorischen Beschränkung auf wenige Herrschende. Er spricht sich naturrechtlich eine transzendente Universalität zu um seine immanente Partikularität zu kaschieren. Der kontinentale Rationalismus enthielt in seinen verschiedenen Systemen nomistischer, transzendentaler und idealistischer Weise eine Rechtfertigung der verschiedenen Erscheinungsweisen der sich verabsolutierenden Herrschaftsgewalt, des europäischen Absolutismus; dieser spielt selbst noch in bürgerliche Revolution hinein; konstitutionelle Beschränkung der absoluten Monarchie durch weite Kreise des Bürgertums konserviert wertkonservativ den Absolutismus -- so die franz. Doktrinäre -- eine Gruppe französischer bürgerlicher Politiker während der Restauration (1815-1830). Die Doktrinäre waren konstitutionelle Monarchisten und erbitterte Feinde der demokratischen und revolutionären Bewegung. Sie waren erstrebt, einen Block der Bourgeoisie und des Adels nach englischen Muster zu bilden. Die bekanntesten von ihnen waren: der Historiker Francois Guizot und der Philosoph Pierre-Paul Royer-Collard, dessen Ansichten die philosophische Reaktion auf den französischen Materialismus des 18. Jahrhunderts und die demokratischen Ideen der französischen bürgerlichen Revolution bildeten. [Ende Seite 3]

Zu S. 767: Die abstrakte Allgemeinheit ist eine konkrete Partikularität, nicht schon die verwirklichte Vernunft. Die als Abstraktes verwirklichte Abstraktion ist geradezu die Zerstörung der Realität (das zu Hegel) "Wenn die Tätigkeit der wirklichen Menschheit nichts als die Tätigkeit einer Masse von menschlichen Individuen ist, so muß dagegen die abstrakte Allgemeinheit, die Vernunft, der Geist im Gegenteil einen abstrakten, in wenigen Individuen erschöpften Ausdruck besitzen. Es hängt dann von der Position und der Einbildungskraft eines jeden Individuums ab, ob es sich für diesen Repräsentanten "des Geistes" ausgeben will" (MEW Bd. 2, S. 90)

Zu S. 767: Die resignierte Geschichtsphilosophie des späten Hegels stellt doch den naturwüchsigen Charakter des Geistes dar, der geistlos in unbewusster Blindheit als taubes Schicksal Geschichte macht. Der europäische Rationalismus erkennt [unleserlich, gestrichen: sein] irrationales Zentrum, die Philosophie ist das nachträgliche Bewusstsein, die traurige Rationalisierung der als mythischen Verschränkung von Zufall und Notwendigkeit sich naturgeschichtlich vollziehende Weltgeschichte. Marx differenziert hier freilich das Verhältnis von Philosophie und Geschichte im Hegelschen System, weil er geht einseitig aus vom späten Hegel. Noch der Hegel der Phänomenologie begreift die in Gedanken gefasste bürgerliche Revolution in ihrem Vollzug (esoterisch). Es gilt den geschichtsphilosophischen Sinn der H[ei]ligen Fam[ilie] herauszuarbeiten, welcher den bloß innerphilosophischen Gegensatz von Id[ealismus] und Mat[erialismus] im Hinblick auf die revolutionär- kritischen Praxis eines gesamtgesellschaftlichen Subjekts als Agenten historischer Veränderung durchbricht.

Zu S. 767: Hegel besitzt nicht die Konsequenz den absoluten Geist ans konkrete philosophische Individuum zu binden. Jener verharrt deshalb in abstrakter Allgemeinheit im irrealen Begriff der sich nicht zu seiner ideellen Realität im idealistischen Sinne konkretisiert hat. Bauer zieht diese Konsequenz indem er die reine Abstraktion als actus purus der Weltgeschichte individuell lokalisiert. Konkrete Individualität existiert deshalb nicht, sondern nur elitäre Esoterik, die also abstrakt unentfaltet, nicht konkret ist (hier kann man Hegel gegen Bauer ausspielen) weil er die demokratischen Forderungen allgemeiner Aufklärung selbstbewusst abweist. Abstakte Individualität welche die demokratische Allgemeinheit von sich ausschließt, (die Elite ist esoterisch und unwirklich weil unentfaltet siehe Ph[änomenologie] d[es] G[eistes], Vorrede). "Der Umgestaltungakt der Gesellschaft reduziert sich auf die Hirntätigkeit der kritischen Kritik." (MEW Bd. 2, S. 91). [Ende Seite 4]

Kap.VI

"Die Geschichte tut nichts, sie ,besitzt keinen ungeheuren Reichtum', sie ,kämpft keine Kämpfe'! Es ist vielmehr der Mensch, der wirkliche, lebendige Mensch, der das alles tut, besitzt und kämpft; es ist nicht etwa die ,Geschichte', die den Menschen zum Mittel braucht, um ihre -- als ob sie eine aparte Person wäre -- Zwecke durchzuarbeiten, sondern sie ist nichts als die Tätigkeit des seine Zwecke verfolgenden Menschen." (MEW Bd. 2, S. 98)

Strategisch ist diese Aussage als Kritik der metaphysischen Kritik zu verstehen. Doch schon die Konzeption von Entfremdung in den Frühschriften zeigt auf, was Marx in einer späteren Periode seiner Geschichtsphilosophie formuliert: "Die Menschen machen ihre eigene Geschichte ... " (MEW Bd. 8, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, S. 115). Wandlung in der Konzeption des historischen Subjekts ventiliert durch die enttäuschende Erfahrung der 40-iger und 50-iger Jahre, des konterrevolutionären Charakters der bürgerlichen Revolutionen. Der Mensch macht im Prinzip seine Geschichte; realiter verdinglicht sie sich ihm zum natürlichen Schicksal; wie Marx in der Analyse der objektiv vorgezeichneten gesellschaftlichen Praxis, des naturwüchsigen Charakters der kapitalistischen Produktionsweise wie sie in der gesellschaftlichen Organisation der ökonom. Produktionsverhältnisse sich äußert zeigt.

S. 778: "Nachdem der alte Gegensatz des Spiritualismus und Materialismus nach allen Seiten hin ausgekämpft und von Feuerbach ein für allemal überwunden ist, macht 'die Kritik' ihn wieder in der ekelhaftesten Form zum Grunddogma und läßt den 'christlich-germanischen Geist' siegen." (MEW Bd. 2, S. 99)

S. 804: "Man zeigte nach, wie die Anerkennung der Menschenrechte durch den modernen Staat keinen andern Sinn hat als die Anerkennung der Sklaverei durch den antiken Staat. Wie nämlich der antike Staat das Sklaventum, so hat der moderne Staat die bürgerliche Gesellschaft zur Naturbasis, sowie den Menschen der bürgerlichen Gesellschaft, d.h. den unabhängigen, nur durch das Band des Privatinteresses und der bewusstlose Naturnotwendigkeit mit dem Menschen zusammenhängenden Menschen, den Sklaven der Erwerbsarbeit und seines eignen wie des fremden eigennützigen Bedürfnisses. Der moderne Staat hat diese seine Naturbasis als solche anerkannt in den allgemeinen Menschenrechten." (MEW Bd. 2, S. 120)

S. 806: Der elitäre Idealismus der kritischen Kritik bleibt folgerichtig in Konstitutionalismus stecken ohne den Staat als demokratischen Repräsentationsstaat zu konzipieren der als ausgebildete Staatsform erst das Verhältnis von polit. Emanzipation u. menschl. Wesen. [Ende Seite 5]

(Der universale Geist entlarvt sich als die allgemeine Herrschaft einer partikularen Klasse)

Die politische Emanzipation ist nicht schon die Aufhebung der Entfremdung, nicht schon die "menschliche Emanzipation", vielmehr erst deren angemessener staatlicher Ausdruck (807/808).

S. 809: "Die Anarchie ist das Gesetz der von den gliedernden Privilegien emanzipierten bürgerlichen Gesellschaft, und die Anarchie der bürgerlichen Gesellschaft ist die Grundlage des modernen öffentlichen Zustandes, wie der öffentliche Zustand wieder seinerseits die Gewähr dieser Anarchie ist. So sehr sich beide entgegengesetzt sind, so sehr bedingen sie sich wechselseitig." (MEW Bd. 2, S. 124)

"Die Naturnotwendigkeit also, die menschlichen Wesenseigenschaften, so entfremdet sie auch erscheinen mögen, das Interesse halten die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft zusammen, das bürgerliche und nicht das politische Leben ist ihr reales Band." (MEW Bd. 2, S. 128)

Die Naturwüchsigkeit der Gesellschaft ist nicht nur scheinbar, sondern [unleserlich] als bedürfnissystematische Naturnotwendigkeit. Die Gesellschaft repetiert die Natur keinesfalls als bloß sekundäre Naturwüchsigkeit, sondern hat einen durchaus primär natürlichen Grund, konstitutiv für deren Zusammenhalt ist das aus dem Anspruch der Bedürfnisse sich ergebene materielle Interesse des Lebens (naturnotwendigen). [Ende Seite 6, halbe Seite leer]

Die kritische Theorie zeigt den absoluten Idealismus als das Gespenst des Weltgeistes, als den zu sich selbst gekommenen Rationalismus: das absolute, deduktive System ist der rational konstituierte Mythos; Die höchstaktuelle Bedeutung von Hegels Geschichtsphilosophie besteht darin, dass der Weltgeist als diviner Roboter des Weltgeschehens fungiert (S. 758).

Der Philosoph ist der apologetische Geschichtsschreiber des Imperfekts -- der nachträglich zum Selbstbewusstsein gekommene Weltgeist, welcher schaudernd auf seine Taten zurückblickt, die Schädelstätte der Geschichte, der grausame Versuch, sie als Vernunft zu rechtfertigen. In der Gestalt der Philosophie schaut der Weltgeist schaudernd auf seine universalhistorischen Taten zurück. Dieser beinah vollbrachte, in den Schädelstätten des Geistes nachträglich das Leben der Vernunft einzuhauchen; der Philosoph rechtfertigt die vollzogene Geschichte post festum, indem er sie für finalistisch also telelogisch als ihren eigenen Beweis ansieht: er stellt fest, quod erat demonstrandum; die Geschichte selber wird zum System das aber heißt zu ihrer eigenen Aufhebung, dem Abstrakten. Die Philosophie ist der Begriff des Endlichen der Geschichte; als die begriffene endliche Geschichte ist sie das Absolute. Der Mechanismus des Absoluten -- Descartes, Spinoza. Die Aufhebung des cartesischen Dualismus von res cogitans und res extensa in der einen und absoluten Substanz setzt diese zur unfreien und notwendigen herab: Descartes Körper reagieren mechanisch; der Monismus macht nicht nur das endliche Denken, die res cogitans, sondern auch das Absolute zum Automaten.

Das Leben der Tiere vollzieht sich als automaton: im cartianisch[en] Rationalism[us], mech[anischer] Materialism[us], Absoluter Rationalism[us] und mechanischer Materialismus sind also identisch in ihrem metaphysischen Wesen, nur zwei Seiten ein und derselben Münze. Subjekt und Objekt sind an sich selber gebrochen (Feuerbach dazu) und gehen keineswegs in ihrer Vermittlung auf, um ex negativo zum Absoluten zu verschmelzen. Beide resistieren den Versuchen der restlosen Identifikation: jenes durch seine sinnlichen Ansprüche, die es an die Natur bindet, dieses durch seine produktive Vermittlung zum Zwecke des materiellen oder ideellen Verzichts, der nur in seiner Beziehung auf Anderes gegenständliches ein An-sich zur Erkennung bringt)

Der Idealismus ist das immanent rationalistische Bewusstsein der Mechanik des Absoluten. (Hier zeigt es sich, wozu Technik, der Zweck der europäischen Rationalität sich einzuordnen imstande ist: zu dem der gesellschaftlichen Praxis von den Menschen selber fabrizierten Mythos; der Kapitalismus der in der Unterscheidung des Tauschverhaltens, der Warenwirtschaft, die [Ende Seite 7] die systematische ratio zum Prinzip enthüllt die Rationalität wie Max Weber post festum und apologetisch konstatiert -- als abendländisches Schicksal. Die Ratio, ökonomisch ausgedrückt die Ware, sind das Prinzip der Naturwüchsigkeit der bürgerlichen Gesellschaft, das heißt der kapitalistischen Produktionsweise (Dazu zur Dialektik den Nominalismus und Realismus, verwirklichte Abstraktion in der Konstitution des Werts; [unleserlich])

Zu S. 814: Die Rationalität der bürgerlichen Gesellschaft ist irrational deshalb, weil sie von den konkreten Bedürfnissen der einzelnen Individuen abstrahiert diese als jede Qualität bare und beziehungslose Atome sich einbildet. Jeder sei ein reines Ich (so wie der Tauschwert vom Gebrauchswert abstrahiert). In der Abstraktion von den spezifischen geschichtlichen Variablen aber naturwüchsig bonierten Qualitäten, den Bedürfnissen als "menschliche Wesenseigenschaften", besteht die Grausamkeit des als Karikatur reproduzierenden Idealismus: Die konkreten Individuen werden auf reine Quantität, res extensa reduziert, auf die begriffslose Existenz (Die Dialektik muss ausgetragen werden).

"'Que les hommes révolutionnaires soient des Romaines' [Dass die revolutionären Menschen Römer seien]. Robbespierre, Saint-Just und ihre Partei gingen unter, weil sie das Antike realistisch-demokratische ... Es ist hier nicht der Ort, die Täuschung der Terroristen geschichtlich zu rechtfertigen." (MEW 3: 129) (Das hat er im 18. Brumaire).

S.817: Dialektik von Staat und Gesellschaft

S. 818: d) Kritische Schlacht gegen den französischen Materialismus:

S. 827: "Wenn der Mensch aus der Sinnenwelt und der Erfahrung in der Sinnenwelt alle Kenntnis, Empfindung etc. sich bildet, so kommt es also darauf an, die empirische Welt so einzurichten, daß er das wahrhaft Menschliche in ihr erfährt, sich angewöhnt, daß er sich als Mensch erfährt. Wenn das wohlverstandne Interesse das Prinzip aller Moral ist, so kommt es darauf an, daß das Privatinteresse des Menschen mit dem menschlichen Interesse zusammenfällt. Wenn der Mensch unfrei im materialistischen Sinne, d.h. frei ist, nicht durch die negative Kraft, dies und jenes zu melden, sondern durch die positive Macht, seine wahre Individualität geltend zu machen, so muß man nicht das Verbrechen am Einzelnen strafen, sondern die antisozialen Geburtsstätten des Verbrechens zerstören und jedem den sozialen

Raum für seine wesentliche Lebensäußerung geben. Wenn der Mensch von den Umständen gebildet wird, so muß man die Umstände menschlich bilden. Wenn der Mensch von Natur gesellschaftlich ist, so entwickelt er seine wahre Natur erst in der Gesellschaft, und man muß die Macht seiner Natur nicht an der Macht des einzelnen Individuums, sondern an der Macht der Gesellschaft messen." (MEW Bd. 2, S. 138)
[Ende Seite 8]

Zu 829/830: Der französische Materialismus artikuliert die Antinomien der bürgerlichen Moral (und kritisiert sie) von besonderm und allgemeinem Interesse. (Dazu Kant; Ideen zu einer Geschichte [in weltbürgerlicher Absicht] -- ein Zentralstück in der Dialektik der Aufklärung -- wie es vor allen Dingen Nietzsche im spätbürgerlichen Denken aussprach. Die doppelte Moral des Bürgertums die der Immoralismus Nietzsches auf den Begriff bringt)

Die Moral hat eine primär naturwüchsige Basis, das aus dem gesellschaftlichen System der Bedürfnisse resultierende Interesse der Individuen; daß der Idealismus systematisch abwerten muss.

Die Moral als Dualismus von Realitätsprinzip und Lustprinzip, diese verworfen. ,Entfremdung' ist die gesellschaftlich bewusste Erfahrung dessen.

S. 831/32/33: Die Heilige Familie ist ein Pamphlet gegen die Gebrüder Bauer und Konsorten; die Darstellungsweise lässt sich ein auf die begrifflichen oft recht zweifelhaften Formulierungen Bauers; doch ist dieser Abstraktionsverlust Ausdruck an der prinzipiellen Kritik am spekulativen Begriff, deren Termini allesamt [unleserlich] sind mit den Prämissen der idealistischen Generalthesis -- der Verlust durch Abstraktion ist bedingt durch den Versuch dem idealistischen Begriff zu entgehen um das Konkrete (gleichwohl) zu begreifen.

S. 833: "Die Kritik führt ihren Fund mit Gänsefüßen an. Die Gans, welche Herrn Bauer jene Parole zur Rettung des Kapitals zugeschnattert hat, ist niemand anders als seine eigene Gans, die kritische Kritik- Sie hat die Masse neu organisiert, indem sie dieselbe als den absoluten Widersacher des Geistes konstruierte. Der Gegensatz des Geistes und der Masse ist die kritische 'Organisation der Gesellschaft', wobei der Geist oder die Kritik die organisierende Arbeit, die Masse den Rohstoff und die Geschichte das Fabrikat vorstellt." (MEW Bd. 2, S. 143)

f) S. 834: "Einige Zitate werden zeigen, daß die Kritik durch die Überwindung des Spinozismus zum Hegelschen Idealismus, von der ,Substanz' zu einem andern metaphysischen Ungeheuer, zu dem ,Subjekt', der ,Substanz als Prozeß', dem ,unendlichen Selbstbewußtsein' kam und daß das schließliche Resultat der ,vollendeten' und ,reinen' Kritik die Wiederherstellung der christlichen Kreationstheorie in spekulativer. Hegelscher Form ist." (MEW Bd. 2, S. 145)

Marx begreift auch hier schon (S. 837) das Subjekt als sinnlich, dem Denken ein Prädikat ist.

S.838: In der metaphysisch travestierten Einheit von Materie und Geist, Natur und Mensch sieht Marx den "wirklichen Menschen" und "die wirkliche Menschengattung": dies am Begriff der Arbeit zu erläutern; romantische Einheit? [Ende Seite 9]

Das Subjekt hat sich apriori über seine Identifikation mit dem Objekt zur absoluten Substanz erhoben. Die ursprüngliche [unleserlich] Identität der einstmals zerrissenen Endlichkeit mit sich selber ist ihre Unendlichkeit; der spekulative Karfreitag, der Tod Gottes (Negation des Endlichen ist die Negation der Negation, das Absolute; Hegel setzt das Absolute als bloße Negativität). Der absolute Idealismus erhebt die unterscheidenden Eigenschaften, die differentia spezifica der Dinge zu deren genus selber. Die Prädikate werden zu eigenständigen Subjekten mythologisiert: spekulativ travestierter Ausdruck der Entfremdung in der rationalisierenden Konstruktion des Absoluten.

Zur Dialektik von Ontologie und Metakritik bei Hegel (s. Feuerb[ach]) s. 841 (s. Protokoll).

S. 841 "Die Kritik ist in seiner Hand das Instrument, um alles, was außer dem unendlichen Selbstbewußtsein noch eine endliche materielle Existenz behauptet, in bloßen Schein und in reine Gedanken zu sublimieren. Er bekämpft in der Substanz nicht die metaphysische Illusion, sondern den weltlichen Kern - die Natur, die Natur sowohl wie sie außer dem Menschen existiert, als wie sie seine eigne Natur ist. Auf keinem Gebiete die Substanz voraussetzen - er spricht noch in dieser Sprache - heißt ihm also: kein vom Denken unterschiedenes Sein, keine von der geistigen Spontaneität unterschiedene Naturenergie, keine vom Verstand unterschiedene menschliche Wesenskraft, kein von der Tätigkeit unterschiedenes Leiden..." (MEW Bd. 2, S. 150)

Marx formuliert auch hier den Einspruch gegen die als actus purus des reinen Begriffs konzipierte Arbeit, das Gebiet der praktischen Vernunft auf dem sich mit Fichte der Streit um das Verhältnis von Analysis und Synthesis austrägt, (der Geist oder die Kritik[,] die organisierende Arbeit S. 883). Im Unterschied dazu Nietzsche: die Heilige Familie stellt im klassischen Sinn aufklärerische Stadium in der Genesis des historischen Materialismus; die zentralen [unleserlich, endet auf "stein"] zum französischen Materialismus des 18. Jhdts. haben diesen -- darin ist Marx noch Feuerbachianer -- als eine fröhliche Wissenschaft der Sinnlicheit; bei Marx des Genusses in der vernünftigen gesellschaftlichen Organisation der geschichtlichen vermittelten bedürfnissystematischen Interessen der wirklichen, d. h. sinnlichen Menschen. Gegen die ontologische Tradition der idealistischen Metaphysik Europas zielt die Insistenz auf den endlich sinnlichen Subjekten als den wirklichen Menschen; die ontologische Tradition sitzt alles Ontische, die Gegenstände der sinnlichen Anschauung zum bloß nichtigen me on herab; Marx fasst sie nicht mehr als bloße kontemplative Objekte der Anschauung, sondern als Produkte der praktischen Tätigkeit wirklicher Menschen; d. i. das zugleich philosophiekritische Moment an der Ontologiekritik -- ebenso wohnt daher den Objekten Allgemeines inne, die in ihnen vergegenständlichte, materialisierte Arbeit (nicht mehr reiner Geist.) [Ende Seite 10]

Nietzsches fröhl[iche] Wissenschaft ist nicht zufällig Voltaire gewidmet; doch spezifische Differenz zu Marx und Feuerbach besteht darin, dass er alle sinnliche Realität ebenso wie den platonischen Idealismus für Schein erklärt, diesen Schein aber zur einzigen Wirklichkeit umwertet. Die Totalität des Scheins ist ein sich selber das Sein und wird zum unaufhebbaren Factum; die Menschen können ihr eigenes Machwerk nicht verändern -- ist die resignative Einsicht des spätbürgerlichen Denkens, dem nur der Ausweg in die Barbarei oder Dekadenz offen blieb; kaum kann zweifelhaft bleiben, welchen Weg die ökonomisch und politisch herrschende Klasse wählte (der Schein wird zur unmittelbaren Gegebenheit). Das ist der idealistische und damit im historisch-systematischen Sinn innerphilosophische Sinn im Denken Nietzsches.

Marx hingegen erkennt die Sinnlichkeit -- der subjektive Begriff der materiellen Basis -- als gegenständliche objekt[ive] Realität an; gleichwohl ist diese nicht unveränderbar; da Hegels Metakritik an den nominalistischen und transzenentalen Systemen das Material des Denkens nicht gleichgültig gegenüber deren Formen belässt, sondern ein Ansich nur im Medium begrifflicher Reflexion, dem selbstbewussten Schein sich konkret zu erkennen gibt -- ein Prozess bei dem er freilich Sein in Denken wieder restlos auflöst -- wohnt den Einzeldingen nunmehr wieder wesentliche Allgemeinheit inne -- doch nicht als prälogisches in sich sondern subjektiv, also durch Denken vermittelt.

Das ist für Marx die Grundlage: Die gesellschaftliche Realität ist prinzipiell veränderbar weil deren sinnlich anschauliche Gegenstände die Produkte unserer subjektiv, nicht rein intellektuell sondern materiell vermittelten Tätigkeit sind. Der Gegenstand als Produkt welches gleichwohl nicht lückenlos deduktiv im Subjekt des Produktionsprozesses aufgeht ist somit immer auch Schein, das heißt aufhebbar. Das Objekt als Schein trägt an sich seinen eigenen Bruch mit sich, nur dadurch, dass es Produkt ist, ist es Gegenstand zum Verzehr geworden. Das Produkt erweißt sich in seiner Konsumtion als Schein, als Negation.

Kap. VII:

Kritik als Praxis: "Die Kritik der Franzosen und Engländer ist nicht so eine abstrakte, jenseitige Persönlichkeit, die außer der Menschheit steht, sie ist die wirkliche menschliche Tätigkeit von Individuen, die werktätige Glieder der Gesellschaft sind, die als Menschen leiden, fühlen, denken und handeln. Darum ist ihre Kritik zugleich praktisch. Ihr Kommunismus ein Sozialismus, in dem sie praktische, handgreifliche Maßregeln geben, in dem sie nicht nur denken, sondern noch mehr handeln, ist die lebendige, wirkliche Kritik der bestehenden Gesellschaft, die Erkenntnis der Ursachen ,des Verfalls.'" (MEW Bd. 2, S. 162)

Kritik ändert nicht schon in der rationalistischen Interpretation als theoretisches Erkennen. [Ende Seite 11]

S. 862: Kritik und Abstraktion

S. 863: "Wie das absolute Denken sich selbst als für alle Realität gilt, so die kritische Kritik. Sie erblickt daher außer sich keinen Inhalt, sie ist daher nicht die Kritik wirklicher, außer dem kritischen Subjekt hausender Gegenstände, sie macht vielmehr den Gegenstand, sie ist absolutes Subjekt-Objekt." (MEW Bd. 2, S. 168)

S. 864: "Die außerweltliche Kritik ist keine Wesenstätigkeit des wirklichen, darum in der gegenwärtigen Gesellschaft lebenden, leidenden, an ihren Qualen und Freuden teilnehmenden menschlichen Subjekts. Das wirkliche Individuum ist nur ein Akzidens, ein irdisches Gefäß der kritischen Kritik, die sich in ihm als die ewige Substanz offenbart. Nicht die Kritik des menschlichen Individuums, sondern das unmenschliche Individuum der Kritik ist Subjekt. Nicht die Kritik ist eine Äußerung des Menschen, sondern der Mensch eine Entäußerung der Kritik, der Kritiker lebt daher völlig außer der Gesellschaft." (MEW Bd. 2, S. 169-170)

S. 872: "Außer den wirklichen Beziehungen, in welchen der Hausbesitzer (die handelnde 'individuelle Kraft') zu seinem Hause (der 'objektiven Grundlage') steht, bedarf die mystische Spekulation, auch die spekulative Ästhetik, noch einer dritten konkreten, spekulativen Einheit, eines Subjekt-Objekts...." (MEW Bd. 2, S. 177)" (Hegels Subjekt -- Objekt "phantastischer Zusammenhang")

S. 885: Leib-Seele-Dualismus

S. 886: "Die Strafe, die Rudolph am maître d'école vollzieht. Ist dieselbe Strafe, die Origenes an sich selbst vollzog. Er entmannt ihn, er beraubt ihn eines Zeugungsgliedes, des Auges. ,Das Auge ist des Leibes Licht.' Daß Rudolph gerade auf die Blendung verfällt ... Die Trennung des Menschen von der sinnlichen Außenwelt, das Zurückschleudern in sein abstraktes Innere, um ihn zu bessern - die Blendung - ist eine notwendige Konsequenz der christlichen Doktrin, nach welcher die vollendete Durchführung dieser Trennung, die reine Isolierung des Menschen auf sein spiritualistisches 'Ich', das Gute selbst ist. (MEW Bd. 2, S. 189)"

Die Strafe ist der Abstraktionsprozess von der Sinnlichkeit (so der Tod) (C[hoiurineur], F[leur] d[e] M[arie] und M[a]d[am]e [George] mussten jeweils auf den realen, gesellschaftlich vermittelten, primär natürlich basierten Sinnesgenuss verzichten. Der reale Abstraktionsprozess der bürgerlichen Gesellschaft trennt von der qualitativen Sinnenwelt ([schwer leserlich: "Fur" oder FW"]).

Straftheorie S. 887: Die von der unmenschlichen Realität vollzogene Abstraktion in der Strafe.

S. 888: "Wie Rudolph die Fleur de Marie entleibt, indem er sie dem Pfaffen und dem Sündenbewußtsein überliefert, wie erden Chourineur entleibt, indem er ihm seine menschliche Selbständigkeit raubt und ihn zum Bulldoggen herabwürdigt, so entleibt er den maître d'école, indem er ihm die Augen aussticht, damit er 'beten' lerne. Dies ist allerdings die Weise, wie alle Wirklichkeit 'einfach' aus der 'reinen Kritik' hervorgeht, nämlich als Entstellung und sinnlose Abstraktion von der Wirklichkeit." (MEW Bd. 2, S. 191) [Ende Seite 12]

S.892: Zur doppelten Moral des Bürgertums, Moral als kollektive Rationalisierung; Der moralisch als Strafe naturierte Mord.

S. 893: "Der maître d'école beschreibt richtig den Zustand, worin die Isolierung von der Außenwelt den Menschen stürzt. Der Mensch, dem die sinnliche Welt zu einer bloßen Idee wird. Ihm verwandeln sich dagegen bloße Ideen in sinnliche Wesen. Die Gespinste seines Gehirns nehmen körperliche Form an. Innerhalb seines Geistes erzeugt sich eine Welt von greifbaren, fühlbaren Gespenstern. Das ist das Geheimnis aller frommen Visionen, das ist zugleich die allgemeine Form der Verrücktheit. Der maître d'école, der die Phrasen Rudolphs über die Macht der Reue und Buße, verbunden mit schrecklichen Martern« wiederholt, wiederholt sie daher sehen als ein halb Verrückter und bewährt so tatsächlich den Zusammenhang des christlichen Sündenbewußtseins mit dem Wahnsinn. Ebenso, wenn der maître d'école die Verwandlung des Lebens in eine Traumnacht, die von Blendwerken erfüllt wird, als das wahre Ergebnis der Reue und Buße betrachtet, so spricht er das wahre Geheimnis der reinen Kritik und der christlichen Besserung aus. Sie besteht eben dann, den Menschen in ein Gespenst und sein Leben in ein Traumleben zu verwandeln." (MEW Bd. 2, S. 195-196)

Zusammenhang der marxschen Theorie mit der Psychoanalyse: Religion und Moral als Produkt einer traumatischen Erlebniskatastrophe interpretiert als Abstraktion von der erfahrbaren Sinnenwelt -- Verstümmelung des konkreten Erfahrungshorizontes. Ontologie ist, der Realismus des Begriffs -- ist ähnlich wie bei Nietzsche -- Produkt diese Abstraktionsprozesses.

S. 895 Irrenhaus -- Kirche; Beten und Raserei eines Wahnsinnigen. Zellularsystem (Gefängnis als Monade; S: 896, [MEW 2, S. 195]). Die Verruchtheit der Monaden, diese sind begriffslose Existenzen bürgerlicher Moral und Jurisprudenz als Umklammerung der Klassenantagonismen (dazu Regius) (Verantwortung).

S. 902/3: "In Hegels ,Phänomenologie' werden die materiellen, sinnlichen, gegenständlichen Grundlagen der verschiedenen entfremdeten Gestalten des menschlichen Selbstbewußtseins stehengelassen, und das ganze destruktive Werk hatte die konservativste Philosophie zum Resultat, weil es die gegenständliche Welt, die sinnlich wirkliche Welt überwunden zu haben meint.... Hegel macht den Menschen zum Menschen des Selbstbewußtseins, statt das Selbstbewußtsein zum Selbstbewußtsein des Menschen, des wirklichen, daher auch in einer wirklichen, gegenständlichen ..." (MEW Bd. 2, S. 203)

Die gegenständliche Welt ist die durch Gegenstände beschränkte und bestimmte, also endlich-historische Welt.

S. 904: "Es muß umgekehrt gezeigt werden, wie Staat, Privateigentum usw. die Menschen in Abstraktionen verwandeln oder Produkte des abstrakten Menschen sind, statt die Wirklich[Ende Seite 13]keit der individuellen, konkreten Menschen zu sein." (vgl. MEW Bd. 2, S. 204)

Die Heilige Familie stellt das im klassischen Sinn aufklärerische Stadium in der Genesis des historischen Materialismus dar, dies gleichwohl durch eine von der Hegelschen Dialektik vermittelten Kritik an dieser eine Metakritik der bürgerlichen Aufklärung enthält, deren [unleserlich] Antinomien sie aufweist als fundiert in den Antagonismen der bestehenden geschichtlichen Basis konkret-menschlicher Wirklichkeit, der bürgerlichen Gesellschaft. Der selber noch klassische Boden [zwei Wörter unleserlich] bürgerlicher Aufklärung deren immanente Opponenten als französischen und englischen Materialismus, den Marx in dem philosophiegeschichtlichen Abriss vorstellt. Spekulativ. Idealismus -- theolog[ischer] Rationalism[us] -- Hegel -- Feuerbach -- Marx.

Die Heilige Familie ist ein philosophiegeschichtlich äußerst kompliziert reflektiertes Werk;

Kap VIII: eine literatursoziologische Analyse eines Trivialproduktes der Aufklärung.

S.906: "In dieser Weise wäre also auch die Wohltätigkeit längst als Unterhaltung organisiert." (MEW Bd. 2, S. 206)

Emanzipation des Weibes (auch dazu siehe Adorno) (Regius)

S.908: "Der Grad der weiblichen Emanzipation ist das natürliche Maß der allgemeinen Emanzipation." (MEW Bd. 2, S. 208)

Kritik der moralischen, rechtlichen und nationalökonomischen Systeme der bürgerlichen Gesellschaft im Gewande einer religionskritisch zentrierten Kritik an der spekulativen Philosophie (Theologie). In der Philosophie[-]Kritik an der spekulativen Theologie, dem deutschen Idealismus in der Entfaltung des Hegleschen Systems liegt eine Kritik der [zwei Wörter unleserlich] moralischen, rechtlichen und nationalökonomischen Systeme der bürgerlichen Gesellschaft beschlossen: die Kritik an der Entfremdung in ihrer Gestalt der spekulativen Philosophie.

S.909: Ideologie der staatlich garantierten Sozialpartnerschaft, der Staat als die Realität des die realen Klassenantagonismen verdrängenden Allgemeininteresses. Sues Roman ist die spezifisch bürgerliche Moralkritik (nationalökonomische Verhältnisse werden nicht gesellschaftstheoretisch in Hinblick auf die objektive, vom subjektiven Willen der Individuen weitgehend unabhängige Praxis (automaton) analysiert, sondern individualistisch und subjektivistisch, rein moralisch kritisiert: Der bürgerlichen Moral ebenso wie dem bürgerlichen Recht als Straf- und Privatrecht liegt die Konzeption der Verantwortung des Individuums zugrunde, da die bürgerliche Ideologie dieses Versprechen privatautonomer Individuen als realisiert ansieht: doch zu Individuen könnten sich bestenfalls die bilden, die im Besitz der Produktionsmittel sind und die Verantwortung tragen die armen Leute, ihnen bürdet die herrschende Klasse sie auf: Die Kritik an der Moral als Moral ist gehört zur Kritik an Philosophie als Philosophie. [Ende Seite 14] Aufklärerisch ist die Heilige Familie auch wesentlich in ihren moralkritischen Partien (Kritik an der Moral) (Regius: der spezifische Stellenwert von Regius in der kr.[itischen] Theorie ist die explizite Verbindung einer Kritik an der bürgerlichen Philosophie als Philosophie mit einer an der bürgerlichen Moral als Moral).

Nicht eine Umwerten aller Werte ist das Ziel der [unleserlich] ethischen Theorie als Moralkritik sondern die Aufhebung der idealen moralischen Werte, indem sie revolutionär gesellschaftlich verwirklicht werden.

S. 911: "Der Arbeiter samt Familie wird also, abgesehn von allen andern Bedürfnissen, mit der Unterstützung der kritischen Armenbank noch nicht den vierten Teil des nötigen Brots kaufen können und einem gewissen Hungertod anheimfallen, wenn er nicht zu den Mitteln, denen diese Armenbank vorbeugen will, zu dem Pfandhaus, dem Bettel, dem Diebstahl und der Prostitution seine Zuflucht nimmt." (MEW Bd. 2, S. 210)

S. 911: " ... auf dem Wahn, daß es nur einer andern Distribution des Salärs bedürfe, damit der Arbeiter das ganze Jahr hindurch leben könne." (MEW Bd. 2, S. 210)

S. 917: Die moralischen Gegensätze von gut und böse sind nur der ideelle Ausdruck materiell bedingter gesellschaftlicher Klassengegensätze: "Wie in der Wirklichkeit..." [Ende Seite 15]

Zu Marx: Die Heilige Familie bildet das im klassischen Sinn aufklärerische Stadium in der Genesis des historischen Materialismus. Der Versuch durch die Kritik des spekulativen -- also sich als allein wirklich setzenden Begriffs -- in die von diesem verfehlte Realität zu gelangen, (eine Tendenz der [unleserlich] Kr.) äußert sich hier als konsequente Fortsetzung der kopernikanischen Wende: Dem Ziel ein autonomes Subjekt zu bilden; dem Menschen der sich um seine eigenen Sonne drehe. Die tranzendentale Apperzeption noch mehr das aktive Ich Fichtes Tathandl[ung] begreift Marx als die metaphysische Travestie des arbeitenden bürgerlichen Subjekts. Die Heilige Familie enthält in der Auseinandersetzung mit der französischen Aufklärung eine Kritik der Metaphysik (daher aufklärerisch) (innerhist[orische] Aufheb[ung] des Absoluten).

Quelle: Mappe 15 c Schreibblock (Aufschrift "Heilige Familie"), Verlag Neue Kritik, Frankfurt a.M.
Transkription: Redaktion Krahl-Briefe